"Bunsen zeichnet"

Anmerkungen zu den Bilder Bunsens, entstanden auf El Cabrito de La Gomera Spanien
Ausstellung in der Galerie des Künsthöfle e.V. Bad Cannstatt 2014

Helge Bathelt 2014

El Cabrito de La Gomera Spanien 2014

El Cabrito de La Gomera Spanien 2014

"El Cabrito" 2014, Acryl und Holzkohle auf Papier, DIN3.

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Wenn wir an die Zeichnungen Picassos über Themen Velasquez denken oder an diejenigen, die er in einer Linie - ohne abzusetzen - ausführte, so haben wir Beispiele für ein Außerordentliches in der Zeichnung. Vollendetes finden wir genauso bei der Kollwitz, in Moores Tube - Aufzeichnungen oder im Linienstaccato Janssens.

Vor Jahr und Tag hat mir ein Schüler Orilks erzählt, wie Orlik seine Berliner Akademieklassen schulte. Nicht selten führte er sie in den zoologischen Garten und ließ sie Raubkatzen, Schimpansen und anderes Getier festhalten. Dieses Arbeitspersonal nahm keine Posen ein, sondern bewegte sich natürlich und nicht berechenbar. Eine Herausforderung für die Zeichnenden. Orlik sprach von einem "herunter schreiben" der Zeichnung in einem Guss und Fluss, forderte rasches Erfassen und eine rasante Umsetzung.

Neben seiner außerordentlichen malerischen Kompetenz als abstrakt - expressiv gestaltender Künstler muss das zeichnerische Werk Frederick Bunsens in seiner Eigenständigkeit gesehen werden. Hier verbindet er seine lyrische Gegenstandslosigkeit mit einer elementaren Zuneigung zu traditionellen Sujets aus der Natur. Er streut knappe Linien über die Blätter, verbindet durch verwischen, wechselt zwischen harter und weicher Führung des Zeichenstifts oder der Kohle, ergänzt - wo unabweisbar - mit wenigen grundlegenden Farben und kann in einer einzigen Folge von Arbeiten dutzende von Blättern schaffen als hätte das Betrachtete und Erfasste in ihm einen Selbstauslöser betätigt.

Bunsen ist ein geschulter Sehender. In der Begegnung mit dem Motiv weiß er umgehend dessen Wesentliches und er hat die Mittel, dieses Wesentliche in eine Zeichnung zu übersetzen. Niemals erliegt er dabei einem akademischer Schematismus, der sich in immer gleichen Ergebnissen auswirkte. Vielmehr sind seine Zeichnungen unmittelbarer und tiefer Ausdruck seiner Künstlerpersönlichkeit, die ihr Eigenes weiß und es mit stupender Sicherheit umsetzt.

Besonders anregend wirken auf ihn seine zahlreichen Exkursionen, die er auch im Rahmen seiner Lehrtätigkeit durchführt. Szenerien aus seiner alltäglichen Umgebung, toskanische Impressionen und jährliche Aufenthalte auf Gomera finden ihren Niederschlag in souveränen Skizzen, denen manchmal Ausarbeitungen folgen, die aber nicht zwingend, weil seinem sorgfältigen Blick, seiner Fähigkeit auf ein Essentielles zu fokussieren und seinem Sinn für ein Geistiges im Natürlichen nichts entgeht und auch die Lebendigkeit der Skizze einen eigenen Wert und eine eigene Angemessenheit darstellt.

Mit wenigen Linien wird ein Tiefenraum geschaffen, visuelle Anhaltspunkte - ob Pflanzen, ob Steine, ob Wasser - werden als formgebend erkannt und in ihrer Substanz aufgezeichnet und Wasser, Pflanzen, Sand und Erde werden auch charakteristisch farbflächig und in changierenden Tönen angeben. Hell und dunkel wirkt das Licht durch Blatterwerk gefiltert und all das wird in einer Lebendigkeit der Auffassung zusammengeführt, die die Niederschriften Bunsens als außergewöhnlich auszeichnet.

Es wäre nur ein kleiner Schritt für den Künstler, die Repräsentanten des Natürlichen aus seinem zeichnerischen Werk etwas zurück zu nehmen und schon wäre sein lyrisch abstrakt - expressiver Malstil im Focus, was uns wieder auf Dürers Sentenz zurückführt, die ja auch Ernst Ludwig Kirchner für sich selbst bestätigt hat, wenn er ausführt: "Jedes Bild, das ich schaffe, hat seinen Ursprung in einem Naturerlebnis." (aus: Über Leben und Arbeit. In: Omnibus, Galerie Flechtheim 1931)

Die zurückhaltenden Bewertung der Zeichnung im Kunstmarkt, eine Fehlentwicklung, die das Bewusstsein vom meisterhaften Illustrator gegenüber dem mitunter schülerhaften Illuminator aus rein ökonomischen Überlegungen überwunden hat, diese zurückhaltende Bewertung lässt sich selbst bei einer nur oberflächlichen Betrachtung auch nur der jüngeren Kunstgeschichte nicht aufrecht halten. Die Zeichnung kennt keine Maske und in ihr zeigt sich zuerst die Substanz eines Künstlers. Wäre e r denn noch zu prüfen, der er selbst Prüfer ist, so hätte Bunsen in der Zeichnung mit summa cum laude bestanden. Dieser Teil seines großen Gesamtwerkes ist wesentlich und es ist höchste Zeit, dass er mehr Aufmerksamkeit findet.

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