In der Galerie AKMAK Berlin

Bemerkungen zur Eröffnung der Ausstellung von Frederick Bunsen

Björn Engholm 2. Dezember 1984

Björn Engholm

Björn Engholm in der Galerie AKMAK Berlin

Bunsen, Mendler, Márkos, Fabritius: Die Gruppe (in English)

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Frederick D. Bunsen III. wurde 1952 in El Paso, Texas, USA, geboren. Nach einem Studium an der Oregon State University, das er mit dem BS abschloss, kam er nach Deutschland, um hier ein Studium an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart zu absolvieren. Dort lebt er als freischaffender Künstler, ist seit 1977 Mitglied des Verbandes Bildender Künstler Baden-Württembergs und seit 1983 Mitglied der internationalen Künstlervereinigung "Die Gruppe", zu der noch ein wenig gesagt werden muss.

Bunsen ist, und das scheint von Bedeutung, ein Anhänger der Hermeneutik, also jener klassischen Disziplin, die es mit der Kunst des Verstehens zunächst von Texten zu tun hat. Einfach gesagt: "Wie ein jeder Text, so muss ein jegliches Kunstwerk verstanden werden, und solches Verstehen will gekonnt sein."

2.

Zwei deutsche Philosophen sehr unterschiedlicher Denkungsart, Schleiermacher und Hegel, begründen die Notwendigkeit eines besinnenden Verstehens dadurch, dass sie den Verlust oder die Entfremdung gegenüber der Überlieferung beklagen.

Schleiermacher schreibt, dass es schon nicht mehr das Natürliche und Ursprünglichen sei, wenn Kunstwerke in Verkehr kommen, denn jedes habe einen Teil seiner Verständlichkeit nur in seiner ursprünglichen Bestimmung. Daher verliere das Kunstwerk, aus seinem ursprünglichen Zusammenhang gerissen, von seiner Bedeutung,

Während Schleiermacher daraus den Schluss zieht, es müssten alle ursprünglichen Bedingungen wiederhergestellt werden, also eine restaurative Antwort gibt, argumentiert Hegel anderes. ER ist sich vielmehr der Ohnmacht aller Restaurationen bewusst, wenn er schreibt, die Werke der Kunst seien nichts anderes als vom Baume gebrochene schöne Früchte, die nicht das wirkliche Leben ihres Daseins, sondern allein die eingehüllte Erinnerung dieser Wirklichkeit offenbarten. Sie seien, anders ausgedrückt, eine Er-Innerung des in ihnen veräußerten Geistes.

3.

Dieser philosophischen Denkungsart entspricht die Anordnung der Ausstellung Frederick Bunsens.

Zimmer 1 ist gleichsam der Entstehungsort der Bunsen'schen Kunst, es symbolisiert den Prozess, in dem die Empfindung und Gedanken des Künstlers sich materialisieren, ihr malerisches Kleid erhalten.

Zimmer 2 zeigt den Zustand, in dem sich die Bilder von ihrem schöpferischen Ursprungsort gelöst haben und in einer verfremdeten Umgebung (etwa einer Galerie) ihre eigene, vom Künstler losgelöste Wirkung entfalten. In Zimmer 3 wird versucht, die gesellschaftlichen Erwartungen an Kunst zu vermitteln, die mit dem ursprünglichen Entstehungsakt der Kunst kaum noch etwas gemein haben. Dieser Raum isst insoweit ein Symbol für die theoretische Infragestellung der Vermarktung von Kunst.

Der Drei-Schritt von Raum 1 über Raum 2 zu Zimmer 3 lässt sich so sehr gut vergleichen mit den Kategorien Erich Fromms: Sein und Haben, es ist der Prozess, wie das Sein in das Haben pervertiert wird, oder, neutraler: transformiert.

Frederick Bunsens Hoffnung besteht darin, dass die Bewusstmachung dieses Entfremdungsprozesses die Entfremdung selbst relativieren könne.

4.

Kunst, sagt Bernhard Lypp in dem Katalog, der kürzlich in Hamburg gezeigten Ausstellung "Im toten Winkel", sei "die Gesamtentfesselung der symbolischen Kräfte des Menschen". Das meint die Befreiung als Konventionen, aus politischen und sozialen Zwängen, aus moralischen und religiösen Interpretationsschemata.

Kunst in diesem Sinne wäre eine fundamentale, eine existentielle Freiheit - die letztlich das Experiment auch des Menschen mit sich selbst zuließe.

Künstler wären in diesem Sinne freier und ungebundener und somit weit ausdrucks- und symbolstärker als anderen Menschen. Denn: wer seine sinnlichen Fähigkeiten entfesselt, gelangt zu anderen Ausdrucksformen als der in Konventionen großgewordene und lebende Menschen.

Hier liegt wohl der tiefere Grund, warum Ausstellungen junger zeitgenössischer Kunst im Regelfalle nur von einem kleinen Kreis von Liebhabern besucht werden.

Mag auch das Auge hundertmal das intelligenteste unserer Sinne sein - ein konventionell geprägtes Sehen wird immer schockiert durch nichtkonventionelle (das heißt dem Auge unbekannte) Bilder.

Oder: Sehen wie auch Hören sind erziehungsgebunden. Wer stets tonale Musik hörte, wird atonale als negativ empfinden. Wer stets gute Bilder als saubere Abbilder der Natur sehen lernte, schreckt von ungegenständlichen Ausdrucksformen der Malerei zurück.

Wer sein Leben auf Ruhe, Bestätigung und Konsens anlegen lernte - wird die Herausforderungen der ästhetischen Unruhestiftung durch Bilder, wie die Bunsens, nicht aufnehmen können.

Der Zugang ist also schwer. Und die Anstöße, die die Künste für Neugier, Phantasie, Toleranz bergen, bleiben das Privileg weniger, obwohl viele, besser alle, sie bitter nötig hätte.

Jedoch: Man kann den Zugang zu den Künsten lernen. In dem man übt, trainiert, ja, ästhetisches Jogging von früh aus an betreibt. Je eher, desto besser, den hier gilt mehr denn anderswo das Motto: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Insoweit kommt etwa der ästhetischen Erziehung in unseren Bildungseinrichtungen eine viel größere Funktion zu als den Galerien, die als Agenturen der Kunstvermittlung an die Öffentlichkeit treten.

5.

Muss man, wie es mit jedem Künstler passiert, Frederick Bunsens stilistisch einordnen? Wenn es denn sein muss, so schöpft, wie eine Rezensentin schreib, Bunsen gewiss aus der Quelle der kompositionellen Malerei und der Abstraktion. Ganz unverkennbar aber tritt in den Werken Bunsens die intellektuelle Dimension hervor, die die Spontaneität nicht ausschließt, aber aus ihr ein "diszipliniert-analytisches" Instrument macht. So greifen Bunsens Arbeiten, die man als Auszeichnungen, Niederschriften oder Notizen betrachten könnte, auf wesentliche Tendenzen der abstrakten Malerei zurück, gehen aber in wesentlichen Elementen darüber hinaus.

Bunsens Arbeiten leiden so weder unter der relativen Kopflastigkeit der Kunst der 70er Jahre, noch landen sie bei den Farborgien der sogenannten Postmoderne. Sie erlauben dem Betrachter vielmehr jene sensible Sinnlichkeit, die dieser als Organisationsform für seine Erfahrungen erlebenden Wahrnehmens benötigt.

Deshalb finde ich den Vorschlag, seine Malerei "sensitiv" zu nennen (sensitiv Painting) recht angebracht.

Wie die Bilder sonst noch zu deuten sind, welche konkrete Inhalte sie gar haben mögen, was der Künstler uns wohl zu sagen haben möge - das ist nicht mein Bier. Bilder sind dazu da, betrachtet zu werden, und wer sich angerührt fühlt, betroffen befragt, verunsichert - der hat schon mehr begriffen, als man ihm sprachlich vermitteln könnte.

6.

Ich halte Frederick Bunsen für einen Künstler, dessen Entdeckung sich lohnt und den zu entdecken in weiten Teilen der Bundesrepublik noch aussteht. Das gilt im Übrigen auch für die Künstler Assozation, der er angehört: "Die Gruppe" (Bunsen, Mendler, Márkos, Fabritius, Fleischmann, Buba). "Die Gruppe" hat sich zusammengefunden, um die Lebens- und Arbeitsbedingungen der ihr angehörenden Künstler zu erleichtern, denn noch immer gilt in der Bundesrepublik, dass nur ein Bruchteil junger Künstler, auch wenn sie außerordentlich begabt sind, eine Ausstellungschance oder gar eine eigene Galerie finden. "Die Gruppe" will die harten Prinzipien der Konkurrenz auf dem Kunstmarkt ersetzten durch eine Kooperation, die die jeweils eigene Entwicklungsmöglichkeit nicht behindert, sondern fördert.


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