Hinüber-Hinaus

Ausstellung Frederick D. Bunsen: Malerei & Grafik 1991-1996, J. B. Hirscher-Haus /Priesterseminar Rottenburg

Dr. Michael Kessler, Institut für Fort- und Weiterbildung, Rottenburg, Germany 1996

Performance, Schorndorfer Manufaktur 1990

Performance, Schorndorfer Manufaktur 1990

Performance, Schorndorfer Manufaktur 1990, Foto: Karin Mueller Leonberg

Frederick Bunsen
Performance, Schorndorfer Manufaktur 1990.
"ich schaffe Räume die es noch nicht gibt"
Fotos, Karin Mueller, Leonberg

Leben
Denken
Erweckungen
Selbstbeobachtung
Titel und Bilder

Zum Autorenverzeichnis
Zum Hauptverzeichnis

Frederick Daniel Bunsen ist ein Multitalent, und demzufolge natürlich irgendwie eine schillernde Größe. Im süddeutschen Sprachraum hat dieses Wort Nebenbedeutungen. Aber ob er dichtet, weiß ich wirklich nicht. Über seinen Selbstcharakterisierungen pflegen demungeachtet mehrere Titel zu stehen: Malerei, Grafik, Performance, Kunstdidaktik - inzwischen glaube ich, auch noch: Kunstvereinsbegründer, Galerist und Kunstschulbegründer. Also allerhand. Ich will das im einzelnen nicht ordnen oder gar bewerten. Ein Zeichen von Lebendigkeit ist es allemal, und eins von Risikobereitschaft, ja Lust am Risiko. Zur Lust am Risiko gehört mehreres, wenn sie nicht einfach dumm sein will. Dazu gehören, und zwar zusammen, Waghalsigkeit und Wagemut. Dazu gehören Selbstvertrauen; ein ordentliches Maß an Leichtsinn, denn sonst kann einer nicht abheben; Begeisterung, denn ohne solche wird Provokation lediglich zur Zumutung; schließlich so etwas wie visionäre Energie. Letztere braucht einer vor allem, wenn er allein ist. Mit Lust am Risiko ist man das oft. Erfolge haben bekanntlich viele Väter aber die setzen sich immer an einen gedeckten Tisch. Die Invention des Menus, das Kochen, das Decken, das Einladen, das Servieren muß man allein besorgen; vom Abwasch ganz zu schweigen. Und das tut er, dieser Bunsen: beherzt, unerschrocken, mutig, hartnäckig, innovativ, mit jungenhaftem, von 44 Lebensjahren nicht angegrautem Charme. So hat er es stets gehalten, soweit ich die Stationen seines Lebens zu übersehen vermag, und so wird es, das spürt man, wohl bleiben. Daß er verliebt ist ins Gelingen, stört dabei nicht. Daß ihm so vieles gelingt, verdeckt nicht die Mühen und bisweilen auch die Vergeblichkeiten gesuchter, begangener Wege, sondern zeigt, daß er recht hat. Nicht mit allem, sondern trotz allem.


Leben

Frederick Bunsen, 1952 in El Paso, Texas, USA geboren, hat zunächst an amerikanischen Hochschulen studiert: Germanistik sowie Kunst, Kunsterziehung und Lithographie, von 1970 bis 1975. Im Rahmen eines Austauschprogramms zwischen der Oregon State University und der Universität Stuttgart setzte er an letzterer seine Studien fort: Germanistik und Kunstgeschichte. Lieber in Stuttgart, als in Vietnam, um nur soviel dazu zu sagen. Parallel dazu und weiter dann ein Studium an der Staatlichen Akademie der bildenden Künste in Stuttgart 1974 bis 1980, zuletzt als Meisterschüler unter Professor Rudolf Haegele. Auch dieses nicht ohne Konflikte übrigens. Wiederum parallel 1974/75 lithographische Arbeit in der Tübinger Werkstatt von Erich Monch. Ab etwa 1980 erfolgte eine kontinuierliche Ablösung von konventionellen malerischen und zeichnerischen Mitteln, die in der amerikanischen akademischen Tradition ja noch sehr stark dominieren. Anfangs der 80er Jahre dann ein erstes eigenes Atelier in Stuttgart, wiederum Konflikte mit Ordnungskräften im Gefolge einer Galerie-Besetzung, also einer Kunstaktion, mit der sich schon andeutet, wofür im Gefolge der Terminus Performance steht. 1982, durch die Begegnung mit einem anderen Flüchtling, dem Ungarn András Markós, die Gründung einer Künstlervereinigung namens Die Gruppe. 1983 organisierte Bunsen eine Wanderausstellung für sämtliche Stuttgarter Akademieprofessoren durch die USA, woraus man erstens ersehen kann, daß er nicht nachtragend ist und zweitens, daß, nach Joseph Beuys zu reden, jedermann, zumindest jeder Mann vom Format eines Bunsen, was natürlich Frauen nicht aus- sondern einschließt, auch zum Galeristen taugt. 1985 folgt eine mehrjährige Tätigkeit als Dozent für allgemeine künstlerische Ausbildung, Anatomie und Abstraktion an der Städtischen Kunstschule Herrenberg. 1986 ein gemeinsames Atelier mit Markós; 1988 ein weiteres in der Schorndorfer Porzellanmanufaktur; schließlich im Herbst 1995, wiederum zusammen mit anderen Künstlern, die Gründung eines eigenen Künstlerzentrums Spacetime Studios und eines angeschlossenen Kunstvereins The Stonehinge in den Räumen des ehemaligen Winnender Bahnhofs. Manche sprechen, aber das will ich offen lassen, inzwischen von seiner Schule. Dagegen soll nicht verschwiegen werden, daß Bunsen nicht allein durch die Welt geht: Er hat eine Frau, die, was sicher kein Honiglecken ist, ihn mitsamt seiner Arbeit, seinen Experimenten, Einfällen und Reinfällen solidarisch begleitet und unterstützt, und vier inzwischen beinahe erwachsene Kinder, die manches Lied davon werden zu singen wissen.


Denken

In den letzten zehn Jahren gewinnt die Intensivierung der gedanklichen und künstlerischen Auseinandersetzung mit Konfigurationen nachmetaphysischen Denkens an Bedeutung. Für Bunsen ausgelöst einmal durch die Beschäftigung mit Martin Heideggers Exposition der Frage nach dem Sinn von Sein, zu der die Freilegung des Verstellten und Verschütteten bei gleichzeitiger Abwehr konventioneller Deutungen ebenso gehört, wie die Wahr-Nehmung der Immanenz des Todes im Dasein in der Struktur der Zeitlichkeit. - Zum anderen die Beschäftigung mit der, wenn man so sagen darf, Gegenontologie, der Negativen Dialektik Theodor Wiesengrund Adornos und Max Horkheimers, mit ihrer Insistenz auf der Grundbeobachtung, daß es kein wahres Leben gibt im falschen. Das erfordert Prüfung sowohl der Gehalte als auch ihrer Transport- und Herstellungsmittel; impliziert Resistenz gegen Über- und Hintersinn: Deutungsresistenz. Der Künstler wird, darauf verzichtend, Botschafter sein zu wollen, zum Kundschafter. Aber jede Resistenz bedarf einer Insistenz, um nicht skurril zu werden: Kunst, sagt Bunsen, sei Negation der Lüge. Daß alles kontaminiert ist, selbst die Reinheit der Mittel, von der Sprache, vom Denken, vom Bildnerischen ganz zu schweigen, muß realisiert, darf nicht vertuscht werden. Die Wahrheit der Kunst sind nicht die von ihr verkündeten oder illustrierten oder dementierten Wahrheiten, die es schon gibt. Ihre Wahrheit ist Ehrlichkeit im Umgang mit der Begrenztheit, Kontaminiertheit ihrer Mittel. Dadurch, nur dadurch, entsteht Raum für das Andere, das unersichtlich Neue, für seine stillschweigende Präsenz. - Hinzu kommt schließlich prägend, verdeutlichend, verschärfend Bunsens Begegnung, Kooperation und Freundschaft mit dem Bielefelder Systemtheoretiker Niklas Luhmann über Fragen zur Bestimmung der Bedeutung von Form und Differenz in der Kunst, zuletzt dokumentiert in dem gemeinsam edierten Band Unbeobachtbare Welt aus dem Jahre 1990.

Top


Erweckungen

Bunsen ist, das gehört zu seiner Biographie, zu seiner Selbsterfahrung, ständig in Bewegung. Von Texas nach Mexiko, von Mexiko nach Idaho, hinunter-hinauf, von dort nach Oregon hinüber, wenn man so will; schließlich Alaska, äußerste Spitze, mit der die Neue Welt zur alten sich hinüberneigt, wo, eingefroren und durchgeschliffen zur Ersichtlichkeit im Eissarg, Tod ins Leben ragt - und Leben in den Tod: als Herzschlag im ewigen Eis, in der Ödnis, im Nebel. Und wieder hinüber danach, nach Europa, nach Deutschland zunächst, und wieder hinaus: in den Anfangsjahren in die Provence, dann, in den letzten Jahren, nach Tschechien, nach Polen, nach Ungarn. Er sei, so sagt seine Galeristin Gerlinde Walz, ein Vagabund der Grenzerfahrungen - ein Grenzgänger - ein Grenzüberschreiter. Das ist das eine; vielleicht ist diese besondere, biographisch-geopsychische Konstellation, sozusagen eine exzentrische Positionalität, auslösendes Moment für Bunsens künstlerisches Arbeiten. Aber dahinter steht natürlich mehr als die Entdeckung, daß Tourismus auch ein Lebensprogramm abgeben könnte. Dahinter steht die intensivste Erfahrung der Unhintergehbarkeit der Differenz. Diese Erfahrung kann deswegen intensiv genannt werden, weil sie nicht bloß eine Befindlichkeit ist und nicht nur emotional. In ihr treten Zufall und Notwendigkeit zusammen, werden miteinander zum Prüfstand für die Echtheit von Wahrnehmungen, die, gerade weil sie echt, intensiv, aber womöglich nicht eindeutig sind, besondere Sorgfalt erfordern, um nicht ins Klischeehafte abzugleiten. Man fällt ja, das gehört zu den Grunderfahrungen, nicht nur auf andere herein, sondern man ist ständig in Gefahr, sich selbst auf den Leim zu gehen. Es genügt also nicht, ständig die Seiten, die Fronten zu wechseln. Der Ort ist gut, die Lage neu, der alte Lump ist auch dabei, lautet eine ironisch-melancholische Warnung Wilhelm Buschs. Und wenn man diese nicht moralisch nimmt, sondern erkenntnistheoretisch und methodisch, dann wird man bemerken, daß diese Unhintergehbarkeit von Differenz, also das Haltmachen vor den Identifikationen, vor den Eindeutigkeiten, etwas außerordentlich Schwieriges ist. Etwas Schwieriges und etwas, das Folgen hat. Es erfordert, einfach gesprochen, Takt. Takt ist das Finden und Einhalten eines Maßes, das man sich nicht nur selber setzt und das man auch nicht nur fixfertig vorfindet und übernimmt. Der Fund, mit dem man beginnt, ist vielleicht Zufall. Aber ab da hört jede oberflächliche Freiheit im Sinne von Beliebigkeit auf. Die Freiheit die bleibt und zu gewinnen ist, liegt im Finden und Einhalten des Takts der sich auferlegenden Beschränkungen, also in einem zu erarbeitenden Verzicht. Dadurch gewährt sich so etwas wie Identität.


Selbstbeobachtung

Was ich oben bezweifelt habe, nehme ich jetzt zurück. Natürlich ist Bunsen auch ein Dichter. Denn gelegentlich produziert er Texte. Zum Glück ist das nicht seine Hauptbeschäftigung. Denn sonst gäbe es wenig zu sehen. Aber es ist vielleicht ganz aufschlußreich, das eine oder andere davon festzuhalten. Es gibt mancherlei Texte von ihm. Der, auf den ich mich in der Hauptsache beziehe, findet sich in einem Kunstgespräch. Es ist also nicht ein Text, sondern eine Textfolge, die sich sukzessive verfertigt, in Rede und Gegenrede. Wenn ich daraus zitiere, dann nur in Fetzen. Das darf man dem Dichter nicht verübeln; es geht auf mein Konto.

Da heißt es zum Beispiel: Wichtig ist eine Konzentration des Selbstbeschauens: ich beobachte mich selber; aber ich beobachte, was ich mache...oder was dabei herauskommt, mittels einer Art Schaltwirkung von Ansätzen. . . Ich habe gemerkt, daß meine Wahrheiten oder die Wahrheiten, die ich produziere, selbst provozieren. Also muß ich niemanden ärgern; der ärgert sich von allein, wenn er will; und zwar dann, wenn er praktisch nicht über seinen Wahrheitsstand hinaus sehen kann, was los ist. Ich habe mich vor etwa drei Jahren entschlossen, mich auf diese Ebene zu konzentrieren, damit ich wirklich zu einem Ergebnis kommen kann, das für mich in dieser experimentellen Phase authentisch, also ehrlich ist. Damit man wirklich weiß, daß das, was ist, ist - und nicht nur eine eventuell vorgetäuschte Illusion ist. Dazu muß ich von der Beobachtung abrücken, um mich freizustellen. Manchmal bin ich auch nicht mit mir im klaren. Ich merke, daß ein Experiment an einem bestimmten Punkt gescheitert ist. Zum Beispiel spüre ich im nachhinein, daß ich unwillkürlich für einen Markt produziert habe, der etwa eine schöne Stadtlandschaft in dieser Abstraktion entdecken kann. . .Aber ich lasse meine Kunstwerke nicht bei den alltäglichen Objekten bleiben. ...Ein Sinnbild ist, wie eine Einheit vom Betrachter her empfunden werden kann. Es wird so von der kompletten Welt vermittelt. Wenn die Welt nicht komplett wäre, nehme ich an, deduktiv, daß man diese Empfindungen nicht haben könnte und dieses Sinnbild nicht haben könnte. Das wäre nicht möglich... Wenn ich einen gewissen Pinselstrich habe, setzt das voraus, daß ich tausende von Pinselstrichen vorher geübt habe, um Differenzierungen feststellen zu können. Das heißt also: zu merken, daß ich mit der Art und Weise, mit der ich mit einem bestimmten Pinsel oder einer bestimmten Technik arbeite, eine bestimmte Spur hinterlasse, einen bestimmten Ausdruck. Und das kann man in etwa vorausahnen, aber sich nicht vorstellen, sonst würde man die Spontanität verlieren. Ich setze mich seit ungefähr fünf Jahren mit der Transparenz auseinander, und ich merke, daß ich immer schneller, konzentrierter, verkürzter, verdichteter und tiefer in der Sinnbildung werde, je mehr ich übe. Fast wie in der Zen-Malerei. Was jetzt entstehen kann, setzt die Übung voraus. Und der Prozeß wird nicht unterbrochen, sondern tagtäglich wieder aufgenommen. Auf jeden Fall möchte ich betonen, daß Mittelwahrnehmung, Formwahrnehmung und Weltwahrnehmung die drei Ebenen sind, die man gleichzeitig mitversteht, mitbegreift. Man wird immer besser. Ich weiß noch nicht, was ich noch nicht wahrnehmen kann...Ich werde nie die Begeisterung vergessen, die ich empfunden habe, als ich diese Erkenntnis gewonnen habe...diese Energie hat mich getragen, da bekam ich einen gewissen drive. Ich ging einfach darauf ein, fing an zu arbeiten, zu werken, zu gestalten; und das war eine Kraft, die mich vorangetrieben hat, so eine schöpferische Kraft, eine fantasievolle Kraft, eine Freude. Es war wie ein Spiel, und dann auch eine Freude am Experiment; und plötzlich merke ich: es ist gut, die Kraft ist ausgeschöpft, es war fertig. Das Große und Ganze muß in einem Schwung, in einem Tanzschritt gemacht werden. In diesem Schwung, in diesem Schritt, in diesem Arbeitsgang ist dieses Werk fertig, und man kann nichts mehr daran machen...Auch das kommt in der Malerei vor. Ich spüre, ich stehe kurz davor, etwas zu erreichen, aber wenn ich in meinem weitermache, dann zerstöre ich diesen Zustand. Ich kann aber auch sehen wollen Wirrwarr, meinem Chaos, was passiert, wenn ich das Bild zerstöre, wenn ich schon einmal dabei bin, denn manchmal kommen tolle Dinge dabei heraus. Manchmal wird der Zerstörungsprozeß in sich bestätigt. Das ist auch interessant. Das kann man sich mit Abstand zu sich selbst ansehen. Die Betonung liegt auf der Offenheit des Künstlers, auf seiner Fähigkeit, ein Experiment ins Fehlerhafte gehen zu lassen, nicht gelingen zu lassen und selbst dabei zu spüren, was das bedeutet: zu spüren, was Erfolg überhaupt sein kann. - Die Zeugnisse wären natürlich vermehrbar. Es gibt mehrere, aus unterschiedlichen Perioden. Aber es soll ja kein Buch werden. Also mag das genügen.


Titel und Bilder

Bunsens Umgang mit Titeln hat schon häufig Verwunderung erregt. Das wird vermutlich so bleiben und auch hier der Fall sein. Viele Arbeiten führen den Titel Ohne Titel, gelegentlich mit Hinzufügungen: z.B. Hand, Schädel, Nagel, Transitus, Schädel, Transitus, blue space, Schmetterling, Zeitung, big hole, Rose. Gelegentlich erkennt oder ahnt man etwas davon. Zum Beispiel die Umrisse eines Schädels; die Silhouette eines Nagels; einer Hand; den Durchschein einer Zeitung; das Rosa einer Rose; eine Raumwirkung von Blau. Dann gibt es welche mit eigenen Titeln: Briefe von Julia zum Beispiel - mit einem davon hat er in unserer Aktion Denkzettel im letzten Herbst den 3. Preis gewonnen; Heavans open, God gave sign: Peter und Heavans open, God gave sign: Paul; Skull (Schädel); Resurrection; Kreuz-Weg; schließlich, mit wachsender Häufigkeit: Black Hole, einmal auch Blue Hole. Früher gab es noch andere, z. B. Spuren des Dialogs oder Trinität (letzterer besonders beliebt bei Theologen, denen meistens entschlüpft, daß es eigentlich Trinität der Malerei heißen müßte); Waiting for the mercy of the late birth; Bücherbaum; Tor der Wandlung und so weiter. Auch eine Engel-Serie gibt es. Inzwischen erweitert sich die zu Black Holes and Other Celestial Persons. - Da ich kein Naturwissenschaftler bin, will ich mich über die Bedeutung Schwarzer Löcher gar nicht erst hermachen. Man sagt ihnen starke Wirkungen nach aufgrund ihrer enormen Dichte. Vielleicht ist Bunsens Selbstbeobachtung, die ihm einen solchen Titel nahelegt, triftig. Seine Bilder haben einen Zug, eine Sogwirkung. Man kann sich darin verlieren. Sie sind tief. Tiefgründig. Sie führen an eine große Dichte heran, ja erzeugen eine solche: sie sind intensiv in ihrer Anziehungskraft; sie scheinen zu implodieren; eine ganz merkwürdige, gewaltige Kraft ist ihnen eigen; eine Kraft der Konzentration, die nicht verzweckt ist; eine Kraft, die nicht schwindelt, aber schwindeln machen kann; eine Kraft, die herausfordert zu rigoroser Aufmerksamkeit; eine Kraft, die uns spüren läßt nostra res agitur und uns konfrontiert mit dem, was nötig ist, damit wir nicht unter unserem Niveau bleiben. Kann man das Spiritualität nennen? Ist das religiös? Offenbar ist es eine Kraft, die das Werk zum Leben erweckt. Nicht ein Kraft, die der Künstler hat, qua Genialität zum Beispiel oder weil er besonders einfallsreich oder esoterisch wäre, sondern eine Kraft, die da ist, zu der er findet, die sich ihn zum Werkzeug macht - durch Disziplin. Eine Kraft, in der sich eine Präsenz bemerkbar macht gleichsam durch die Dichte ihrer Abwesenheit und wodurch der Künstler erlebt und experimentell herausarbeitet, daß es so etwas gibt wie eine reichhaltige Unentscheidbarkeit, in die er den Betrachter lösend - erlösend hineinziehen will, um ihn jenen Vibrationen des Ursprünglichen (G.Steiner) auszusetzen oder zu konfrontieren, die sein Werk zum Leben erwecken. Das müssen nicht immer die hehrsten und edelsten sein oder das, was man gemeinhin dafür hält. Einer der für mich schönsten Titel Bunsens heißt: Stop making sense. Darf man sagen: hör auf damit, Sinn zu produzieren? Das erinnert an Warnungen aus Kinderzeit von der Art: Hör auf mit dem Unsinn. Ob es Unsinn ist, Sinn zu machen? Unsinn oder verwerflich oder riskant oder daneben? Probieren Sie es aus. Überlassen Sie sich der Betörung und Verstörung, die diesen - ich hoffe, ich darf so sagen - wunderbaren Arbeiten eigen ist. Dann werden Sie manches vergessen, möglicherweise auch irritiert sein, vielleicht gar sich selbst neu und anders erfahren und dadurch erleben, daß das was die Künstler, was dieser Künstler macht, mehr ist als Dekoration und Zeitvertreib, denn dazu werden Sie Zeit brauchen, das geht nicht in einem Nu, nicht bei ihm und nicht bei Ihnen. Und damit Sie diese Zeit haben und den Weg zu den Bildern finden, höre ich jetzt auf. Nicht ohne Dank für Ihre Geduld, versteht sich. Ein kleines Buffet mit Getränken und Sachen zum Knabbern haben wir ganz hinten aufgebaut, damit keiner sagen kann, er/sie sei nicht zu den Bildern gekommen.

Top


© 2001