"Malhalten"

Kunstprojekt zur Begegnung von Kirchen und Kunst

Ev. Stadtkirche Spaichingen 9. September - 6. November 2011

Lithografie

Frederick Bunsen, "Malhalten" 2011

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Frederick Bunsen, "Malhalten" 2011

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Frederick Bunsen, "Malhalten" 2011

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Frederick Bunsen, "Malhalten" 2011

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Pfarrer Johannes Thiemann

Gedanken zur Kunst-Installation von Frederick Bunsen, Eröffnung "malhalten"

"malhalten" - mal halten, einfach einmal innehalten, anhalten, um sich zu begegnen, um Begegnungen und Auseinandersetzungen zu ermöglichen, Kirche und Kunst begegnet sich, um sich zu besinnen, um Anteil zu erhalten an der Botschaft, der Kirche, der Kunst, der Kunst der Kirche, eben dadurch auch Anteil erhalten an Gott, seiner Botschaft, mit ihm Mal halten, auf eine etwas andere Art und Weise.

Darf in einer Kirche, in einem sakralen Raum, die Kunst mitreden? Jede Kirche, jeder Kirchenraum, jeder sakrale Raum spricht für sich selber seine je eigene Sprache. Jeder Kirchenraum lädt ein - sich auf die Begegnung mit Gott einzulassen. Lädt ein zur Stille, zur Besinnung, zum Gebet, zum Hören, auf Gottes Wort. Lädt ein zum Feiern. So ist ein kirchlicher Raum, ein sakraler Raum, kein x-beliebiger Raum. Sondern er wurde geschaffen, um einen hervorgehobenen Ort zu schaffen, wo "Gottesdienst" gefeiert werden kann. Wo die Feiernden herausgenommen werden aus dem Alltag, und wieder hinein in den Alltag entlassen werden. Gottesdienst feiern, Gott dient uns, die wir uns hier versammeln, und wir dienen Gott, indem wir auf sein Wort hören. Indem wir ihn als unseren Gott anerkennen. Geht es hier um etwas anderes als eben um diese Begegnung mit dem "Heiligen"?

Schon der Kirchenraum ist ein Kunstwerk. Geplant, geschaffen und erbaut, um diese Begegnung mit dem "Tremendum" zu ermöglichen, es nicht zu behindern, sondern zu fördern, zu unterstützen. Und dies geschieht zeitbedingt, hat aber Bedeutung über die Zeiten hinaus. Es geht also nicht allein nur darum, dass wir uns an Martin Luther erinnern: "allein das Wort lasset stan", sondern dass diesem Wort der Raum, der Ort gegeben wird, wo es dann zur Sprache kommen kann. Und hier spricht immer der Raum mit!

Kirche und Kunst sind also nicht zwei Pole, die sich gegenüberstehen, sondern sich ergänzen, sich gegenseitig helfen, sich bereichern, vor allem auch immer wieder zur Auseinandersetzung anregen. So ist es neben dem biblischen Wort, der Auslegung dieses Wortes, eben auch immer die Musik, die hier "predigt". Da wird keiner bestreiten, dass dies Kunst ist, und ein wichtiges Element in unseren Kirchen ist. Diese Kunst ist nicht dort stehen geblieben, wo sie begonnen hat. Und so ist es die bildliche Kunst, die von Anfang an sich um die Weitergabe auch von Gottes Wort bemüht hat, in Kirchen, sakralen Räumen, und sich dafür einsetzt. Jede Zeit hat ihre eigenen Formen, Mitteilungsmöglichkeiten, ihren eigen "Stil". Und doch geht es darum, die Predigt des Kirchenraums zu unterstützen, zu verstärken oder mit neuen Anstößen ganz neu zur Sprache zu bringen.

Die Kunstinstallation "auf Zeit" von Frederick Bunsen ist im vorderen Teil unserer Kirche angebracht. Ganz bewusst an dieser Grenze, durch den Bogen vorgegeben, bevor es in der Apsis zum Altar geht, dem Ort für Gottes Wort, hin zum Kreuz vor der Rückwand. Früher sprach an vom "Heiligen", dem Altar als Opfertisch, der Begegnung mit Gott auf die innigste Art und Weise, im Abendmahl, durch das Schmecken, Fühlen und Sehen. An diesem Übergang, vor dem Altar, mit ihm aber verbunden, durch die Ausrichtung des Holzstabes, ist ein Tau gespannt, in den dieser Holzstab verwickelt ist. Nicht einfach ein Stab, eine abgebrochene Hälfte einer Leiter. Eine deutliche Spannung ist dadurch entstanden und wird sichtbar, sie hält den Stab, und nimmt die Spannung von Jesus auf, der am Kreuz hängt. Sichtbar durch das Kruzifix an der Rückwand der Apsis.

In dieser Spannung lebt der Mensch, oft auch in dem Gefühl der Zerrissenheit. Dem sein wollen und noch nicht sein können. Dem in der Einheit des Friedens und anderen Lebenden, und doch immer wieder schuldig werdenden. Dem von Gott immer wieder Freigesprochenen, und doch immer wieder Sünder seienden. Dem Menschen, der versucht seinen Idealen gerecht zu werden und sie mit Leben zu füllen, der aber immer wieder erleben und erfahren muss, dass er hier immer wieder scheitert.

Am Kreuz hält Jesus für uns Menschen diese Spannung aus, indem er seine Arme ausbreitet, uns in seine Arme einlädt, sie um uns schließen möchte, die Arme, mit denen er ans Kreuz gebunden und geschlagen ist. Unsere Spannung, in der wir leben, von der wir immer wieder fast zerrissen werden, er nimmt sie auf. Für mich weist das Tau, gespannt von einer Seite zur anderen, mit dem hineingewickelten Holz, auf unser gespanntes Dasein - vor Jesus.

Es geht aber nicht nur um diese Spannung, die uns immer wieder fast zerreißt, es geht auch und vor allem um unser Leben. Rote Farbe, an der einen und anderen Stelle des Taus, Zeichen für Leben, das hier unter dieser Spannung steht. Ja, sie ausmacht. Leben, das gebunden ist. Das sein Leben unter dieser Spannung hergibt.

Und von daher ist in der Ebene darunter der Altar mit einbezogen in diese Grundspannung. Der Altar, ursprünglich der Ort, an dem Gott Opfergaben dargebracht wurden. Opfergaben, die seit Jesu Tod überholt sind, wir brauchen Gott nichts mehr zu opfern. Und doch ist dieses Rot an den Altar gefesselt, gebunden. Das Leben, das von Gott her kommt, steht unter der Spannung, die von oben her kommt, steht unter der Spannung, die von oben her kommt. Und wird von uns gefesselt, weil wir uns in diese Spannung hineinbegeben, bewusst oder unbewusst, gewollt oder ungewollt. Wir befinden uns, im Grunde von Gott her gesehen als Freie, in seiner Schöpfung, und lassen uns binden mit unserem Leben, als Unfreie, an das, was überhaupt nichts mit dem Sterben und Auferstehen Jesu am Kreuz zu tun hat. Rot, das Leben, in Spannung und gebunden.

Und doch, es bleibt nicht bei dieser Spannung. Die Asche vor dem Altar soll auf die Entspannung hinweisen. Asche, eben nicht schmutzig und dreckig, sondern geläutert, gereinigt, Abfallprodukt eines Verbrennungsprozesses. Zum Zeichen der Reinigung, der Buße, gingen Menschen früher in Sack und Asche. Diese Asche stellt für mich die Verbindung her, zu dem, was wir für unser Leben durch Jesu Auferstehung erhalten haben. Gereinigt, befreit aus der Spannung, herausgenommen aus dem Dualismus von Spannung und Entspannung. Und so auf den Boden gestreut, dass jeder, der durch diese Asche läuft, etwas von ihr mit hinausnimmt aus der Kirche, in den Alltag. Das, was Kirche zu einem besonderen Ort macht, der Begegnung mit Gott, öffnet sich hin zur Welt, in unseren Alltagsgottesdienst.

Pfarrer Johannes Thiemann, Evang. Kirche, Spaichingen den 11. September 2011

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